In der Schule haben wir gelernt, wie wir durch den Einsatz von Adjektiven unsere Texte bunter und detaillierter gestalten können. Sie verleihen unseren Beschreibungen Farbe und Emotion und scheinen daher ein wichtiges Werkzeug für jeden angehenden Autor zu sein. Doch in der Welt des kreativen Schreibens hören wir oft den Rat, Adjektive zu meiden.
Was ist dran an dieser Empfehlung?
Warum sollte man als Autor auf eine übermäßige Verwendung von Adjektiven verzichten?
Und was soll man stattdessen tun, um anschaulich zu schreiben?
Tatsächlich ist es richtig, dass viele erfahrene Autoren dazu raten, den übermäßigen Gebrauch von Adjektiven zu vermeiden. Warum? Weil ihre Verwendung oft dazu führt, dass der Text überladen und unnötig blumig wird. Ein Roman, der vor Adjektiven nur so strotzt, liest sich oftmals eher wie ein Werbetext, bei dem es jemand besonders gut gemeint hat. Anstatt den Leser in die Welt der Geschichte einzubeziehen, kann dies den Lesefluss erheblich stören, das Tempo drosseln und die Aufmerksamkeit von der Handlung ablenken.
Ein häufiges Problem bei der Verwendung von Adjektiven ist, dass sie „erzählend“ wirken, anstatt den Leser selbst zu den Bildern zu führen. Statt zu zeigen, wie ein Charakter sich fühlt oder wie die Umgebung aussieht, beschreibt der Autor diese Dinge einfach. Dies kann die Leser davon abhalten, wirklich in die Geschichte einzutauchen und eigene Bilder in ihren Köpfen entstehen zu lassen. Die Leser sind nur Zuschauer. Wir wollen jedoch erreichen, dass sie „mittendrin“ sind.
Wie schafft man das aber?
„Show, don’t tell“
Die Lösung besteht darin, sich auf das sogenannte „Show, don’t tell“-Prinzip zu konzentrieren. Durch diese Technik kannst Du die Leser in die Geschichte eintauchen lassen und sie emotional mitnehmen.
Anstatt Dinge einfach zu erzählen, kannst Du durch Handlungen, Dialoge und innere Monologe zeigen, was passiert oder wie der Protagonist sich fühlt. Wenn Du Adjektive meidest, öffnest Du den Raum für andere Elemente wie Dialoge oder Gesten. Durch gut platzierte Dialoge kannst Du z. B. die Beziehungen zwischen den Charakteren verdeutlichen und ihre Emotionen auf subtile Weise enthüllen. Ein Gespräch zwischen Charakteren kann oft mehr über sie verraten als eine Flut von Adjektiven.
Ein weiterer Vorteil diese Methode ist übrigens, dass sie schlichtweg länger ist. Indem Du „Show don’t tell“ nutzt, kannst Du, statt eines einzelnen Adjektivs, oftmals mehrere Zeilen oder sogar ganze Seiten füllen, um Dinge anschaulich zu beschreiben.
Um ein ganz einfaches Beispiel zu nennen:
Tell: „Der Kaffee war heiß.“
Wir erzählen dem Leser, dass der Kaffee heiß war.
Show: „Sie nippte am Kaffee und verbrannte sich dabei die Zunge.“
Wir zeigen, dass der Kaffee heiß war – ganz ohne Adjektiv.
Noch ein Beispiel, etwas ausführlicher:
Tell: „Sie war aufgeregt.“
Show: „Die Hand, in der sie das Mikrofon hielt, begann unkontrolliert zu zittern. Sie fürchtete, jeden Moment in Ohnmacht zu fallen. Ihr Herz pochte ihr bis zum Hals und es war so laut, dass sie sicher war, alle im Saal könnten es durch die Lautsprecher hören. Ihr Mund war staubtrocken. Würde sie so überhaupt einen Ton herausbringen?“
In beiden Varianten geht es um eine Person mit Lampenfieber. Nur dass in der ersten Variante davon erzählt wird, während es in der zweiten gezeigt wird. Show ist anschaulich, es lässt mitfühlen. Jeder kennt das Gefühl von schweißnassen Händen und Herzrasen.
Aber nicht nur Emotionen können durch diese Technik transportiert werden. Auch für Beschreibungen eignet sie sich gut. So erfährt man im zweiten Beispiel nicht nur, dass die Protagonistin sehr aufgeregt ist, man erfährt gleichzeitig, dass sie vor einem Mikrofon steht, vermutlich auf einer Bühne, in einem Saal, und dass sie entweder singen oder vor Menschen sprechen muss. Man kann sich gleich viel mehr darunter vorstellen und als Autor umgehst Du zusätzlich eine langweilige Beschreibung der Umgebung.
Apropos Beschreibungen: Weniger ist meistens mehr. Ausufernde Beschreibungen langweilen und nehmen das Tempo. Meist sind ein, zwei Sätze vollkommen ausreichend. Dinge, die jeder kennt, muss man überhaupt nicht beschreiben. Aber auch das ist genreabhängig. In manchen Genres (z. B. New Adult) wird mehr Wert auf Beschreibungen gelegt, in anderen (z. B. Thriller) sollte man eher auf ein zügiges Tempo achten.
Vergleiche
Auch mit Vergleichen kannst Du arbeiten, um Deine Geschichten lebendiger und anschaulicher zu gestalten und Adjektive zu vermeiden. Vergleiche ermöglichen es uns, komplexe Ideen oder Situationen zu veranschaulichen, indem wir sie mit etwas Vertrautem oder Bekanntem in Beziehung setzen.
- Simile-Vergleiche sind direkte Vergleiche, die häufig mit den Wörtern „wie“ oder „als“ eingeleitet werden. Sie helfen, eine Verbindung zwischen zwei verschiedenen Elementen herzustellen, um eine klare Vorstellung zu vermitteln: „Seine Stimme klang wie das Flüstern des Windes.“
- Metaphern sind indirekte Vergleiche, bei denen ein Objekt oder eine Idee als etwas anderes dargestellt wird, um eine tiefere Bedeutung zu vermitteln. Metaphern helfen, abstrakte Konzepte in bildliche Vorstellungen zu übersetzen: „Seine Worte waren wie Pfeile, die mein Herz durchbohrten.“
- Die Personifikation ist eine besondere Art des Vergleichs, bei dem unbelebte Gegenstände oder abstrakte Ideen menschliche Eigenschaften und Handlungen erhalten. Dadurch werden sie greifbarer und lebendiger. „Die Sonne lacht.“
Starke Substantive und Verben
Anstelle von Adjektiven kannst Du Dich auch auf starke Substantive und Verben konzentrieren, um Deine Szenen lebendig und anschaulich zu gestalten. Ein gut gewähltes Substantiv oder Verb kann oft mehr aussagen als eine lange Liste von Adjektiven und verleiht dem Text eine besondere Kraft und Präzision.
Statt zu schreiben, dass ein Haus „groß“ ist, kannst Du schreiben, dass es ein „Wolkenkratzer“ oder ein „Herrenhaus“ ist.
Ein weiteres Problem mit den Adjektiven ist nämlich folgendes: Häufig sind sie nichtssagend. Unter Worten wie „schön“, „außergewöhnlich“, „attraktiv“, „hochwertig“, „groß“ etc. kann man sich nichts Konkretes vorstellen.
Soll ich also gar keine Adjektive verwenden?
Selbstverständlich ist es nicht möglich, komplett auf Adjektive zu verzichten und das ist auch nicht das Ziel. Du solltest jedoch darauf achten, dass Deine gewählten Wörter aussagekräftig und präzise sind, um Deine Beschreibungen zu verstärken und die Vorstellungskraft Deiner Leser zu beflügeln.
Aussagekräftige Adjektive vermitteln lebhafte Bilder und Emotionen. Sie ermöglichen es den Lesern, sich die beschriebenen Szenen, Charaktere und Umgebungen lebhaft vorzustellen: „Majestätisch“, „verlockend“, „zerbrechlich“, „ungestüm“, „verwildert“, … All diese Wörter lassen ein Bild im Kopf entstehen.
Schwache und vage Adjektive hingegen schaffen das nicht, im Gegenteil – sie können die Kraft Deiner Beschreibungen erheblich schwächen. „Schön“, „gut“, „interessant“, „schlecht“. Darunter kann man sich nichts vorstellen.
Insgesamt gilt also, dass die Verwendung von Adjektiven nicht grundsätzlich falsch ist, aber sie sollten sparsam und gezielt eingesetzt werden. Helfen kann Dir dabei u. a. das „Show don’t tell“-Prinzip.
ABER …
Nicht alles muss ausufernd gezeigt werden. Für manche Informationen reicht ein kurzer Nebensatz. In manchen Büchern wird permanent auf der Unterlippe gekaut, alle paar Seiten werden Augenbrauen hochgezogen und Augen aufgerissen, sodass es manchmal schon fast lächerlich wirkt und man sich fragt, ob es ein einfaches Adjektiv nicht auch getan hätte. Hinzu kommt, dass auch bei Show die Elemente begrenzt sind. Es gibt eben nur eine Handvoll Gesten, die Schüchternheit sicher zeigen können. Manchmal ist auch nicht ganz ersichtlich, welche Emotion nun gezeigt werden soll. Wie zieht jemand eine Braue nach oben? Spöttisch? Herausfordernd? Aufreizend? Auch bei Show kann vieles an Information verloren gehen. Deshalb ist die richtige Dosierung wichtig.
Ob Show oder Tell, das gibt letztlich die Szene vor. Manchmal sind Tell und ein starkes Adjektiv ausreichend. Aus manchen Szenen kann man aber durchaus mehr herausholen, wenn man dem Leser anschaulich zeigt, was passiert.