Das Problem mit Partizipkonstruktionen

Partizipkonstruktionen sind grammatische Konstruktionen, bei denen ein Partizip (Partizip I oder Partizip II) zusammen mit einem Hilfsverb verwendet wird, um zusätzliche Informationen über das Subjekt oder Objekt eines Satzes auszudrücken. Partizipien sind verbale Adjektive und können sowohl aktive als auch passive Bedeutungen haben – und wie wir nun wissen, ist auch bei Adjektiven Vorsicht geboten.

Partizip I (Präsenspartizip):

Das Partizip I wird aus der Grundform eines Verbs gebildet, indem „-end“ an den Stamm des Verbs angehängt wird. Partizip I zeigt meistens eine gleichzeitige Handlung oder einen Zustand an. Beispiele:

  • Der rennende Hund bellte laut. (Das Partizip I „rennende“ beschreibt den Hund und zeigt an, dass er während des Bellens rennt.)
  • Die lachenden Kinder spielten im Park. (Das Partizip I „lachenden“ beschreibt die Kinder und zeigt an, dass sie lachen, während sie im Park spielen.)

Partizip II (Perfektpartizip):

Das Partizip II wird aus der Stammform eines Verbs gebildet, indem „-t“, „-et“ oder „-en“ (oder andere unregelmäßige Formen) angehängt werden. Partizip II wird meistens in Verbindung mit einem Hilfsverb wie „haben“ oder „sein“ verwendet, um die Vergangenheitsform oder das Perfekt einer Handlung anzuzeigen. Beispiele:

  • Der geschriebene Brief liegt auf dem Tisch. (Das Partizip II „geschriebene“ wird mit dem Hilfsverb „liegen“ verwendet, um anzuzeigen, dass der Brief bereits geschrieben wurde.)
  • Die geöffnete Tür führte in den Garten. (Das Partizip II „geöffnete“ wird mit dem Hilfsverb „führen“ verwendet, um anzuzeigen, dass die Tür bereits geöffnet wurde.)

Klingt doch gar nicht so schlecht. Was ist jetzt das Problem damit?

Das Problem ist, dass extrem lange Partizipkonstruktionen dazu führen können, dass Sätze komplex und schwierig zu lesen werden.

Partizip I (Präsenspartizip):

Die den ganzen Tag über in der prallen Sonne spielenden und lachenden Kinder vergaßen völlig die Zeit und wurden erst spät am Abend von ihren Eltern zurückgerufen.

Die ausgelassen zur immer lauter werdenden Musik tanzenden Menschen verliehen der Party eine aufregende Atmosphäre.

Partizip II (Perfektpartizip):

Die von einem heftigen Gewitter überraschten und durch den strömenden Regen durchnässten Wanderer suchten Schutz in einer nahegelegenen Hütte.

Die von den anstrengenden Vorbereitungen erschöpfte, doch dennoch lächelnde junge Künstlerin präsentierte stolz ihre neueste Gemäldeausstellung.

Autoren wird geraten, auf derartige Konstruktionen zu verzichten, aus mehreren Gründen:

  • Lesbarkeit und Verständlichkeit: Lange Partizipkonstruktionen können Sätze komplex und verworren machen, was die Lesbarkeit und das Verständnis für die Leser erschwert. Wenn ein Satz zu viele Partizipien enthält, kann es schwierig sein, den Hauptgedanken zu erfassen und den Satz flüssig zu lesen. In der Regel ist es ratsam, solche Konstruktionen in angemessener Länge zu halten und gegebenenfalls durch andere Satzstrukturen zu ersetzen, um die Klarheit und Verständlichkeit des Textes zu gewährleisten.
  • Satzstruktur und Variation: Übermäßige Verwendung von Partizipkonstruktionen kann zu einer eintönigen Satzstruktur führen. Autoren sollten bestrebt sein, ihre Sätze abwechslungsreich zu gestalten, um das Interesse der Leser aufrechtzuerhalten. Durch die Kombination verschiedener Satzstrukturen, einschließlich einfacher und komplexer Sätze, kann der Text lebendiger wirken.
  • Präzision und Klarheit: Manchmal können Partizipkonstruktionen mehrdeutig oder unklar sein, wenn sie nicht sorgfältig verwendet werden. Es ist wichtig sicherzustellen, dass die Partizipien eindeutig auf das richtige Subjekt oder Objekt im Satz verweisen, um Missverständnisse zu vermeiden.
  • Vermeidung von Fehlern: Die Verwendung von Partizipkonstruktionen erfordert eine sorgfältige Beachtung der Grammatik und Syntax. Unnötige oder falsch platzierte Partizipien können zu grammatikalischen Fehlern führen und die Qualität des Textes erheblich beeinträchtigen.
  • Stilistische Überlegungen: Der Schreibstil eines Autors kann auch eine Rolle spielen. Manche Autoren bevorzugen einen klaren und direkten Stil ohne übermäßige Verwendung von Partizipien.

Wie immer bedeutet das natürlich nicht, dass Partizipkonstruktionen grundsätzlich vermieden werden sollten. Sie können eine nützliche und effektive Methode sein, um Informationen kompakt und anschaulich auszudrücken. Es ist jedoch wichtig, sie mit Bedacht einzusetzen, um die Lesbarkeit und Klarheit des Textes zu gewährleisten. Was man immer im Hinterkopf behalten sollte, ist die einfachste Schreibregel: Schreibe kurz, klar und bildhaft. Belletristische Texte sollten nicht kompliziert zu lesen sein und ein einfacher Schreibstil bedeutet nicht, dass auch der Inhalt einfach ist, sondern nur, dass der Leser sich nicht plagen muss (und das Buch irgendwann entnervt zur Seite legt). Idealerweise ist der Stil leicht lesbar und der Inhalt dennoch gehaltvoll.

Sehr viele, lange und komplizierte Partizipkonstruktionen werden übrigens besonders gern in amtlichen Texten verwendet: „Im Rahmen des gemäß den geltenden gesetzlichen Vorschriften zur Ermittlung der Umweltauswirkungen von geplanten Infrastrukturprojekten durchzuführenden anstehenden Umweltprüfverfahrens wird eine umfangreiche Bestandsaufnahme der ökologischen Gegebenheiten sowie eine umfassende Analyse der potenziellen Umweltauswirkungen in Auftrag gegeben.“

Nicht unbedingt der Stil, den man in einem Roman lesen möchte, oder?

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